Wenn ich durch Köln´s Straßen gehe, sehe ich viele Menschen rennen. Diejenigen, die nicht rennen können, weil sie entweder voll bepackt oder gehandicapt sind, haben häufig schon mal Oberkörper und Kinn nach vorn gestreckt, so als ob sie sich selbst sagen wollten: „Ich bin schon schneller“. Vor Wochenenden und Feiertagen, wie morgen der Maifeiertag in Deutschland, fällt mir das besonders auf. Dann sehe ich manchmal buchstäblich Menschen auf der Stirn geschrieben „Beeil dich!“. Du „musst das noch schaffen!“ Da haben die inneren Antreiber Hochsaison.
Wenn´s mal schnell gehen soll …..
Fast egal, wo ich unterwegs bin, höre ich entschuldigende oder rechtfertigende Sätze, wie „Sorry, dass es so lange gedauert hat.“ „Tut mir leid, habe ich total vergessen!“ „Darf ich mal schnell vor, ich muss noch viel erledigen“. “ Jetzt wollte ich mich so beeilen und dann stand ich in dem Scheiß Stau!“ So was Blödes auch! So ein Feiertag erdreistet sich, alles durcheinanderzubringen. Kann den mal bitte jemand abschaffen? Nein? Doch nicht? Was jetzt? Und so geht es weiter. Manche Bäckerläden, Lebensmittelgeschäfte und Supermärkte haben schon Nummern für den Nächsten bitte eingeführt, damit Verkäuferinnen und Verkäufer nicht hemmungslos beschimpft werden, weil sie womöglich nicht sofort gesehen haben, wer denn jetzt dran war. Denn die Leute kloppen sich an den Theken, als ob sie morgen verhungern würden.
Ich muss, ich kann, ich darf – was wählst du?
Was tun wir uns da an? Täglich. Im Alltag. Sogar im Urlaub und an freien Tagen. Was sprechen wir da täglich aus? Oder wie Trainerlegende Norbert Elgert seine Spieler fragt: „Was hören deine Ohren, das du selbst aussprichst?“ Auch, wenn es hier so klingen mag, ich bin keineswegs frei davon. Ich hatte viele Antreiber, lange und auch lange im roten Bereich. Aber ich habe gelernt. Jeden Tag lerne ich meine inneren Antreiber besser kennen. Manchmal entdecke ich auch neue. Manche sind auch wie ein Chamälion und verwandeln sich ständig. Und zack, haben sie mich wieder. Eine besonders drückende Form des Antreibers heißt für mich: ich muss immer ………. z.B. perfekt sein, performen, stark sein, gut aussehen, gut sein. Wer meine Antreiber auch gesetzt haben mag, ich habe über die Jahre stets mein Bestes gegeben, um sie groß und stark zu machen. Jedes Mal auf´s Neue. Und, wenn ich mal nicht die Antreiber-Erwartungen erfüllt habe, tja, ihr habt bestimmt genug Phantasie, um diese Geschichten weiter zu erzählen.
Antreiber sind programmiert auf antreiben – und du?
Antreiber machen das, was ihr Job ist. Eben antreiben. Aber wer steuert die Antreiber? Genau! Ja, du! Du steuerst deine Antreiber. Wäre es da nicht hilfreich für dich herauszufinden, wer sie sind und auf was sie reagieren? Ein bisschen vielleicht, wie die Tasten auf deiner Fernbedienung? Schadet auch nicht, wenn du sie kennst und weisst, wie du sie bedienen kannst?
Antreiber-Handbuch zur Geburt?
Zu unserer Geburt wird – bisher – kein Antreiberhandbuch mitgeliefert. Vereinfach gesagt, habe ich so ein Bild vor mir, dass so aussieht: Wir starten quasi wie ein weißes Blatt, ein unbeschriebenes weißes Blatt. Jeder, mit dem wir zu tun haben, wie z.B. Vater, Mutter, Oma, Onkel, die Verwandtschaft, deren Freunde, deren Umgebung, die Verhältnisse, in denen sie leben – all das und noch viel mehr – findet sich auf unserem weißen Blatt wieder. Manches verblasst in unserer Erinnerung, aber anderes wird durch intensivste Wiederholung so stark auf unser Blatt geprägt, dass wir es nicht übersehen können. Mit der Zeit glauben wir dann, dass wir so sind. Dass wir so sein „müssen“. Vielleicht zweifeln wir manchmal, ob wir tatsächlich so sind oder sein müssen. Vielleicht würde es ja auch reichen, mal bei Bedarf so sein zu können – aber doch bitte nicht immer.
Antreiber auf Standby – gönne ihnen eine Pause
Ich bin ganz sicher, auch du kannst diese Aufzählung von „du musst ……“ leicht füllen oder ergänzen. Wer weiß, wie seine Antreiber heißen und was sie bewirken, kann sich klar werden und lernen, sie einzusetzen, wenn sie gebraucht werden. Kann selbst und bestimmt steuern, wie, wann, wie lange und in welcher Dosis sie funktionieren sollen. Ganz ehrlich, wie geht es dir an deinem Arbeitsplatz, wenn dein Antreiber dir ständig im Nacken sitzt, dir einheizt und stichelt: sei schneller, mach´schneller, beeil dich gefälligst?
2 Minuten: hör´mal rein in deinen Antreiber
Hör mal rein, in deinen Antreiber. Wenn du es jetzt zulassen kannst, schließe 2 Minuten deine Augen und höre in dich hinein. Was hörst du? Was fühlst du? Wo fühlst du? Vielleicht Druck im Nacken, Spannung in deinen Schultern oder Schwere in deinem Atem? Gib dir Zeit. 2 Minuten können ganz schön lang sein. Manche rational veranlagte Menschen bleiben länger in Gedanken und ihr Verstand rattert. Lass zu, was bei dir geht. Wenn nichts geht, nimm diese Übung gern als Inspiration und versuche sie ein anderes Mal in einer anderen Umgebung. Vielleicht kommt dann was bei dir? Wenn Signale bei dir kommen, bewerte sie nicht. Nimm´ sie einfach zur Kenntnis. Vielleicht verunsichern sie dich? Vielleicht merkst du einen Impuls gleich wieder was zu tun, z.B. gegen Verspannungen. Bleibe ruhig und lass zu, was kommt. Das bist du. Vielleicht willst du einen Schmerz wegdrücken. Dein Verstand ist wahrscheinlich geübt darin. Was nicht sein darf, ist nicht! Okay, dann geh´einfach aus der Übung raus. Vielleicht passt sie später. Wie das Update in deinem Smartphone. Du kannst so lange auf später drücken, bis keine Updates mehr kommen. Dann sind die Funktionen auf deinem Gerät zwar eingeschränkt, aber die Hauptsachen gehen vielleicht noch. Wie lange? Hm, das hängt dann ganz davon ab, wie hoch dein Stresslevel ist, den Mangel auszuhalten. Aber dazu mehr in einem der nächsten Artikel hier.
Keine Angst vor „Du schon wieder!“
Wenn ich mal wieder einen meiner inneren Antreiber entdeckt habe, sage ich zu mir selbst: „Du schon wieder!“ Dann beobachte ich ihn und mache aus dem „muss“ ein „kann“. Manche machen auch aus dem „muss“ auch ein „darf“. Hab ich mal probiert. Hat für mich nicht funktioniert. Für mich passt „kann“. Wenn ich das zu mir laut sage – damnit meine Ohren hören, wie Norbert Elgert sagt – merke ich meine innere Entspannung sofort. Mein System ist nicht mehr im Kampfmodus oder in Verteidungshaltung. Einfach super. Das geht mit ein bisschen Übung sogar richtig schnell! Für mich bedeutet, „ich kann …“ ein „ja, ich kann“ und gleichzeitig ein „nein, ich muss nicht immer.“ Als Bonus für die aktive Steuerung meiner inneren Antreiber gelingt mir in den meisten Fällen viel mehr, als ich ursprünglich geplant hatte.
Versuch´s mal, wenn du willst. Alles hier, was ich schreibe, ist nur eine Inspiration. Jeder, das das liest, ist völlig frei, darüber zu denken, was er will, es anzuwenden oder zu lassen. Wer mehr wissen zum Thema und wie die inneren Anteiber funktionieren kann sich zum Beispiel informieren bei Taibi Kahler und Prof. Egon Stephan.C